Index Störungsbilder/Glossar

Eine Schizophrenie wird nach der ICD-10 dann diagnostiziert, wenn mindestens eins der folgenden Merkmale im Zeitraum eines Monats vorherrschend war:

  1. Ich-Störungen wie Gedankenlautwerden, – eingebung, – entzug, -ausbreitung.
  2. Kontroll- oder Beeinflussungswahn; Gefühl des Gemachten bzgl. Körperbewegungen, Gedanken, Tätigkeiten oder Empfindungen; Wahnwahrnehmungen.
  3. Kommentierende oder dialogische Stimmen.
  4. Anhaltender, kulturell unangemessener oder völlig unrealistischer Wahn (bizarrer Wahn).

Oder 2 Symptome der folgenden:

  1. Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität.
  2. Ich-Störungen wie Gedankenabreißen oder –einschiebungen in den Gedankenfluss.
  3. Katatone Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypien, Negativismus oder Stupor.
  4. Negative Symptome wie auffällige Apathie, Sprachverarmung, verflachter oder inadäquater Affekt.

Bei eindeutiger Gehirnerkrankung, während einer Intoxikation oder während eines Entzuges soll keine Schizophrenie diagnostiziert werden.

Halluzinationen beschreiben Sinneseindrücke, die entstehen, ohne dass es dafür einen sinnlichen Reiz gegeben hat. Am häufigsten sind auditive Halluzinationen, also das Hören von Stimmen. Auch Halluzinationen im Bereich Gerüche und körperliche Wahrnehmungen kommen vor, visuelle Halluzinationen (jmd. sehen) kommen vergleichsweise seltener vor.

Mit Ich-Störungen wird beschrieben, dass für Betroffenen die Grenze zwischen dem eigenen Ich und ihrer Umwelt undeutlich wird. Sie haben den Eindruck, ihr Denken wird von außen irgendwie beeinflusst, gesteuert, gelenkt oder von anderen gehört.

Ein Wahn bezeichnet eine nicht zu korrigierende Überzeugung, dass etwas meist Negatives passiert oder passieren wird, mit Erklärungen, die für Außenstehende absurd anmuten. Für den/die Betroffene ist seine Erklärung hingegen unumgänglich wahr.

Literatur

Gall-Peters, A., & Zarbock, G. (2012). Praxisleitfaden Verhaltenstherapie.

www.bptk.de/wp-content/uploads/2019/10/bptk_leitlinien-info_schizophrenie.pdf

S3-Leitlinie Schizophrenie, AWMF-Register Nr. 038-009. 2019. Abruf am 07.05.2022: www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/038-009l_S3_Schizophrenie_2019-03.pdf

Von einer Agoraphobie betroffene Menschen leiden unter der Angst, sich Situationen oder Orten mit eingeschränkter Fluchtmöglichkeit auszusetzen. Häufig geht mindestens eine Panikattacke der Agoraphobie voraus. Menschenansammlungen, Reisen mit dem öffentlichen Nahverkehr, weite Plätze oder geschlossene Räume werden vermieden oder nur mit Begleitung aufgesucht, weil die Vorstellung von eigener Hilflosigkeit oder Kontrollverlust als entweder massiv bedrohlich oder extrem peinlich wahrgenommen wird.

Beim Aufsuchen der geschilderten Situationen oder beim Gedanken daran entsteht eine ausgeprägte emotionale Belastung, in der eine Reihe typischer Angstsymptome vorkommen kann, z.B. Atembeschwerden, Schluckbeschwerden, Zittern, Beklemmungsgefühl, Hitzewallungen oder Kälteschauer, Herzklopfen, Schweißausbrüche, Mundtrockenheit, der Angst zu sterben oder die Kontrolle zu verlieren. Von Agoraphobie betroffene Menschen ziehen sich zunehmend in ihre sichere Welt zurück (das eigene Zuhause, vertraute Personen und Orte, Nähe zu ärztlichen oder therapeutischen Einrichtungen). Manchmal ist das Angsterleben der betroffenen Personen auch überraschend gering, weil die meisten potentiell Angst auslösenden Situationen vermieden werden.

Ungefähr 4 von 100 Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Agoraphobie. Frauen sind etwa dreimal so häufig betroffen wie Männer. Getrennt nach Geschlecht betrachtet, betrifft dies 6 von 100 Frauen und 2 von 100 Männern. Agoraphobien treten meistens um das 28.Lebensjahr erstmalig auf.

Weiterführende Informationen:

https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/agoraphobie-panikstoerung/diagnostik

Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickelt sich als eine zeitlich verzögerte Reaktion auf eine Belastung katastrophalen Ausmaßes – egal, ob wir diese selbst erleben oder Zeuge davon sind (Dilling & Freyberger, 2006). Derartige traumatische Ereignisse sind verschiedenste Naturkatastrophen, Unfälle oder Gewalterfahrungen.

Die PTBS stellt eine normale psychische Reaktion auf ein katastrophales Ereignis dar und offenbart die Schwierigkeit unserer Psyche traumatische Episoden emotional angemessen zu verarbeiten (Ehlers, 1999). Besonders belastend ist es für uns Menschen, einem langanhaltenden traumatischen Ereignis ausgesetzt zu sein, welches absichtlich von anderen Menschen verursacht wurde (u.a. jegliche Form des Missbrauchs, Folter, …).

Das Risiko, nach einem Trauma eine PTBS zu entwickeln liegt zwischen ca. 8 % bei Männern und ca. 20 % bei Frauen. Männer sind statistisch häufiger Opfer traumatischer Situationen, Frauen erleben jedoch häufiger Ereignisse mit höherer traumatischer Wirkung (sexuellen Missbrauch, häusliche Gewalt). Wenn Menschen bereits andere Traumata erlebt haben oder gewisse Persönlichkeitsfaktoren aufweisen, kann eine PTBS etwas rascher ausgelöst werden, nie sind diese ursächlich für die Störung. Mit zunehmendem Lebensalter nimmt die Wahrscheinlichkeit eine PTBS zu entwickeln ab (Steil, 2007).

Die PTBS zeigt sich in der Kombination folgender vier Symptome:

  1. Unkontrollierbares Wiedererleben der traumatischen Situation in der Vorstellung oder in Alpträumen (Intrusionen)
  2. Starke Übererregung, Schwierigkeit abzuschalten, vermehrte Reizbarkeit oder Schreckhaftigkeit mit körperlichen Angstsymptomen
  3. Emotionale Taubheit, eine empfundene Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen oder intensive Angst, Schuld oder Scham
  4. Vermeidungsverhalten von Gedanken, Gefühle, Orten oder Situationen, die irgendwie mit dem Trauma zusammenhängen

Eine Metaanalyse von Van Etten & Taylor (1998) gab Hinweise darauf, dass insbesondere EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), Verhaltenstherapie und die pharmakologische Behandlung mit SSRIs als Behandlungsformen für eine PTBS wirksam sind.

Quellen:

Dilling, H., Freyberger, H. J., & Cooper, J. E. (2010). Hrsg. Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen.

Ehlers, A. (1999). Posttraumatische Belastungsstörung. Göttingen: Hogrefe.

Gall-Peters, A., & Zarbock, G. (2012). Praxisleitfaden Verhaltenstherapie.

Steil, R., Ehlers, A., & Clark, D. M. (2013). Kognitionsfokussierte Therapie der posttraumatischen Belastungsstörung. In Posttraumatische Belastungsstörungen (pp. 239-258). Springer, Berlin, Heidelberg.

Van Etten, M. L., & Taylor, S. (1998). Comparative efficacy of treatments for post‐traumatic stress disorder: A meta‐analysis. Clinical Psychology & Psychotherapy: An International Journal of Theory and Practice, 5(3), 126-144.

Die Posttraumatische Belastungsstörung tritt bei Kindern und Jugendlichen auf, die etwas erlebt haben, was sie äußerst belastet hat. Dies kann beispielsweise eine Naturkatastrophe, ein Unfall oder sexualisierte bzw. körperliche Gewalt sein. Es kann auch ausreichen, wenn Kinder Bilder sehen oder Erzählungen mitbekommen, in welchen nahestehende Personen schwer verletzt wurden oder starben.

In der direkten Situation erfahren sie große Furcht und den Gedanken, nicht unversehrt aus der Situation hinauszukommen. Zudem haben sie ein Ohnmachts- und Hilflosigkeitserleben. Nach dem Ereignis haben Betroffene meist das Gefühl, ein völlig anderer Mensch zu sein.

Es besteht eine emotionale Taubheit, sie verlieren das Interesse an vielen Dingen, die vorher Freude bereitet haben wie z. B. Hobbies oder soziale Kontakte. Weitere Symptome sind leichte Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit und Aggressivität sowie das innerliche Wiedererleben der traumatischen Situation und die Vermeidung, wieder mit der Situation konfrontiert zu werden. Die Symptome können im Anschluss an das oder die Erlebnisse auftreten, aber auch zeitversetzt bis hin zu mehreren Monaten später.

Literaturhinweise:
Steil/Rosner, Posttraumatische Belastungsstörung, Hogrefe 2009
Maercker, Therapie der Posttraumatischen Belastungsstörung, Springer 1997

Eine befriedigende Sexualität erhöht unser allgemeines Wohlbefinden, sodass eine Störung der Sexualität uns körperlich und psychisch stark beeinträchtigen kann. Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass etwa 35 bis 50% der Allgemeinbevölkerung unter vorrübergehenden, sexuellen Funktionsstörungen leidet. Menschen mit psychischen Erkrankungen hingegen sind deutlich häufiger von anhaltenden sexuellen Funktionsstörungen betroffen. 50% der psychisch erkrankten Menschen leiden an persistierenden sexuellen Funktionsstörungen. Gesellschaftliche Tabus, eigene Schamgefühle und Versagensgedanken hindern uns häufig zusätzlich, miteinander ins Gespräch zu kommen und Lösungen zu finden.

Von sexuellen Funktionsstörungen sprechen wir, wenn sexuelles Verlangen, sexuelle Befriedigung und Orgasmus oder physiologische Reaktionen wie Erektion und Lubrikation anhaltend und in dem Maße ausbleiben, dass wir darunter leiden (ICD-10 Diagnoseklassifikation, F52). Am häufigsten sind nach klinischen Statistiken Störungen, die mit einem Ausfall der genitalen Reaktionen einhergehen (Erektion, d.h. steif werden des Penis und Lubrikation, d.h. feucht werden der Scheide). Hinter sexuellen Funktionsstörungen stehen meistens individuelle oder partnerschaftliche Probleme oder Konflikte, die psychotherapeutisch gelöst werden müssen, damit sich die Sexualität verbessern kann. Als hilfreich haben sich auch Entspannungsverfahren, Kommunikationstrainings, Aufklärung über konkrete sexuelle Funktionen und Mechanismen und der Abbau von Mythen und Schamgefühlen herausgestellt. Oft sind ungünstige Lernprozesse involviert, die eine gestörte Sexualität aufrechterhalten (z.B. Vermeidung, Selbstverstärkung).

Manchmal liegen jedoch auch medizinische Ursachen vor, die abgeklärt werden müssen. Wichtig zu bedenken ist die Veränderung sexueller Funktionen durch bestimmte Psychopharmaka. In er medizinischen und psychotherapeutischen Diagnostik ist es notwendig, gestörte Sexualität konkret zu erfragen, um Tabus und Schamgefühlen entgegenzuwirken.

Quellen: www.spektrum.de/lexikon/psychologie/sexuelle-funktionsstoerungen/14176 www.frauenaerzte-im-netz.de/koerper-sexualitaet/ www.gesund.bund.de/icd-code-suche/f52

Von einer Bulimie wird gesprochen, wenn Menschen unter Essattacken leiden und sich als unfähig erleben, diese zu unterbrechen. Meist wird anschließend ein Erbrechen selbst herbeigeführt, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Teilweise wird auch übermäßig Sport getrieben oder phasenweise gar nichts gegessen, um die übermäßige Nahrungszufuhr auszugleichen, was wiederum zu ungebremstem Überessen führt. Insgesamt sind Kinder kaum betroffen, diese Störung beginnt meist im Jugendalter. 90-95% der Betroffenen sind weiblich*. Bulimie wird im Gegensatz zu anderen Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen oft erst recht spät entdeckt, da die Betroffenen meist ein normales Körpergewicht haben. Zudem ist es auch stark schambesetzt und wird eher verheimlicht. Daher ist davon auszugehen, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Eltern sollte aufmerksam werden, wenn große Mengen an Essen verschwinden, Jugendliche übermäßig lange Zeit im Badezimmer verbringen, Würgegeräusche zu hören sind und es regelmäßig nach Erbrochenem riecht.

Literaturhinweis:

Manual der kognitiven Verhaltenstherapie bei Anorexie und Bulimie, Legenbauer, Vocks. Springerverlag 2006

www.familie.de

!!!! Achtung Triggerwahrnung, der Inhalt berichtet über selbstschädigendes Verhalten und Suizidalität!!!!!

Es ist nicht ungewöhnlich, dass vor allem Jugendliche zeitweise selbstverletzendes Verhalten zeigen. In einer Stichprobe an Schulen wurde beobachtet, dass sich etwa 25-35 % Prozent aller Schüler:innen zeitweise selbst verletzen. Eltern und andere Bezugspersonen sind meist sehr erschrocken, wenn ihre Schützlinge sie mit den Zeichen von Selbstverletzungen wie Schnitten, Verbrennungen oder Ähnlichem konfrontieren und befürchten, dass ihre Kinder selbstmordgefährdet sind. Zwar ist die Gefahr für Suizidalität unter Kindern und Jugendlichen, die sich selbst verletzten, höher, jedoch wenden die betroffenen Kinder und Jugendlichen das NSSV (Nichtsuizidales Selbstverletzendes Verhalten) in erster Linie an, um ihre Gefühle zu regulieren. Besonders bei Personen, die Erfahrung mit Mobbing und sexualisierter Gewalt gemacht haben oder an psychischen Erkrankungen wie z.B. einer Depression leiden, besteht ein Risiko, dass sie dieses ungesunde Verhalten anwenden und für sich als hilfreich erleben. Wenn Ihr Kind sich selbst verletzt, sollte es ärztlich vorgestellt werden, um behandlungsbedürftige Verletzungen zu versorgen und abzuklären, ob eine therapeutische Behandlung notwendig ist.

Literaturhinweise:

www.aerzteblatt.de